Heute, 8. April 2017 führte das Historic-Team Erstfeld mit der Doppellok Ae 8/14 11801 Führerstandsfahrten von Erstfeld nach Bodio durch.
Auch der Triebwagen BDe 4/4 war mit einer Gruppe unterwegs nach Airolo.
Nachdem zwischen Erstfeld und Amsteg Parallelfahrten durchgeführt werden sollten, fuhren die beiden Fahrzeuge weiter in Richtung ihrer Zieldestinationen Bodio und Airolo.
Die Fahrt der Ae 8/14 gelang nicht, wie geplant.
In der Lokhälfte II
entwickelte sich während der Talfahrt ein Heissläufer.
Der Grund hierfür ist noch unbekannt.
Bei der Ankunft
in Bodio schien die Temperatur zumindest so hoch zu sein, dass Lager-Öl
in Rauch aufging.
Von Biasca rückte der Lösch- und Rettungszug nach
Bodio aus.
Da an eine Rückfahrt der Ae 8/14 nicht zu denken war, kamen die
Passagiere des BDe-Triebwagens zu einer unerwarteten *, aber
willkommenen Weiterfahrt bis Bodio, wo die Passagiere der
Ae 8/14 mitgenommen wurden.
*Nachdem ich aus dem Historic-Team Erstfeld darauf hingewiesen wurde,
meine
ursprüngliche Formulierung "... kamen die
Passagiere des BDe-Triebwagens zu einer unfreiwilligen, aber
willkommenen Weiterfahrt bis Bodio ..." impliziere, dass die Mannschaft des BDe Passagiere gezwungen hätte, die Fahrt nach Bodio "unfreiwillig" mitzumachen, habe ich
nachträglich das Wort "unfreiwillig" durch das
nun hoffentlich unzweideutige Wort "unerwartet" ersetzt.
und brachte sie nach Erstfeld zurück.Bilder: André Niederberger
Inzwischen erreichte mich die folgende Ergänzung von Robert Schlatter,
welcher auf der Führerstands-Fahrt als Begleiter mit dabei war:
Gestern hat sich ein ernsthafter Zwischenfall mit einem „Heissläufer“ der Triebachse 3, Gegenantriebsseite an der Ae 8/14 11801 ereignet.
Während sich die Bergfahrt und die Talfahrt mit Lagertemperaturkontrollen sowohl in Göschenen wie auch in Airolo absolut ereignislos und im üblichen Rahmen abspielte, entwickelte sich unmittelbar vor Lavorgo plötzlich sporadisch ein seltsamer Geruch, vorläufig aber ohne sichtbaren Rauch.
Intensive und regelmässige Kontrollen während der Fahrt im Maschinenraum und auch ausserhalb wiesen auf kein sichtbares Problem hin.
Stetige Kontrollen während der Durchfahrt durch die Biascina führten ebenfalls kein Problem zutage. Auch das ZKE (Zugskontrolleinrichtung) vermeldete nichts Aussergewöhnliches bei der Überfahrt der Messtestelle Giornico.
Südlich von Giornico war nun wieder ein etwas intensiverer Brandgeruch im Maschinenraum festzustellen. Anlässlich der Aussenkontrolle war nun eindeutig stossweise austretender bläulicher Rauch auszumachen.
Nach Ankunft in Bodio bewegten sich alle Lagertemperaturen im üblichen Temperaturbereich bis auf die Triebachse 3, Gegenantriebsseite, die extrem heiss war (200 Grad C).
Eine anschliessende Kontrolle unter dem Fahrzeug zeitigte kleine, sporadisch gegen den Radstern austretende Flammen, was jeweils eine kurze Feuerlöschaktion nötig machte.
Um weiteren allfälligen Schaden abzuwenden, wurde sicherheitshalber der LRZ Biasca aufgeboten, der nach ca 15 Minuten in Bodio eintraf.
Da inzwischen kontaktierte Gleitlagerspezialisten dringend von einer Wasserkühlung abrieten, wurde mit einem Ventilator die Temperatur auf leicht unter 100 Grad abgekühlt.
Weitere Abklärungen ergaben, dass die Ae 8/14 über das Wochenende auf dem Geleise 1 in Bodio hätte abgestellt bleiben können, was aber von Lokführer und Begleitern als untaugliche Lösung bewertet wurde. Nach Ueberwindung etwelcher Hürden wurde eine erträglichere und weniger zeitkritische Lösung gefunden. Es gelang nach zig Telefonaten zwar eine verfügbare BoBo zu finden, aber ohne Loführer. Deshalb bestieg unser Lokführer den Bus in Bodio und begab sich kurzerhand nach Bellinzona, um dort besagte BoBo zu übernehmen und zurück nach Bodio zu fahren.
Schliesslich wurde unser Sorgenkind mit Tempo Vmax10 bzw 20km/h nach Biasca geschleppt und konnte dort in unmittelbarer Nähe zum EIZ vorläufig abgestellt werden.
Aufgrund der inzwischen fortgeschrittenen Zeit verpassten wir den letzten Zug über den Berg zurück nach Erstfeld. Dies hat auch unser in Erstfeld gebliebener Kollege erkannt, sich ins Auto gesetzt und uns in Bellinzona abgeholt.
An dieser Stelle soll auch die Einsatztruppe des EIZ erwähnt werden: dieses Team hat nicht nur hervorragende Arbeit geleistet, die Leute waren sehr zuvorkommend mit uns und haben uns unterstützt, wo es nur ging. (Einsatz in Bodio, zur Verfügung gestellter Abstellplatz und Rangierarbeit in Biasca)
Es hat mich an die alte SBB-Kultur erinnert, wo nicht zuerst nach der Kostenstelle gefragt wurde, sondern wo Hilfeleistungen mit hoher Priorität und Kompetenz angeboten werden, einfach GROSSARTIG!
Wie geht es nun aber weiter mit der 11801:
Nach der vollständigen Abkühlung der Triebachse wird eine genaue Analyse
vorzunehmen sein, ob und wenn ja wie die Ae 8/14 ins Industriewerk nach Bellinzona überführt
werden kann, um dort detailliertere Abkärungen vornehmen zu können.
Persönlich bin ich überzeugt, dass die Ursache des Heissläufers nicht bei Fehlern im Team Erstfeld zu suchen ist.
Ich weiss aus eigener Erfahrung, wie umsichtig die alte Dame 11801 in Erstfeld gehätschelt und gepflegt wird.
Ein kleiner Rückblick
Die Ae 8/14 11801 erhielt im Jahr 1971 (73?) ihre letzte grosse Revision.
Im Jahr 1977 wurde sie aus dem Regelbetrieb genommen und schliesslich im Depot Arth-Goldau remisiert.
Erst in Hinblick auf die vorgezogenen Jubiläumsfahrten 1981 (100 Jahre Gotthardbahn) kam die 11801 wieder ins Gespräch.
Dabei schieden sich die Geister der Fachleute.
Viele befürchteten, dass die Lok auf Grund der langen "Bewegungslosigkeit" Standschäden erlitten hätte, und gar nicht, oder nur mit grossem finanziellem Aufwand wieder zum Fahren gebracht werden könne.
Die Erfahrungen mit der Erstfelder Denkmallok Ce 6/8 II 14270, welche nach fast 40-jähriger Standzeit nach wie vor rollfähig ist, könnte/müsste in der Beziehung wohl zu einem Umdenken führen.
Scheinbar ist für "Standschäden" nicht nur die (Still-)Standzeit massgebend, sondern
auch weitere Faktoren.
(Vielleicht gar ein Thema für eine Diplomarbeit
eines angehenden Ingenieurs?)
Weil dann 1981 eine technische Inspektion alle Befürchtungen zerstreute, erhielt die Lok auch jetzt keine grosse Revision mehr.
An den Schaufahrten im Sommer 1981 versah die Ae 8/14 11801 denn auch tatellos ihren Dienst
auf der Strecke Erstfeld - Wassen - Göschenen.
Die Lok blieb in der Folge in Erstfeld und führte im Rahmen der ursprünglichen
"Fitnessfahrten" - sehr zur Freude der Fotografen - jeweils am Freitag den
Stückgüterzug nach Arth-Goldau und zurück.
Mit der Einführung von
Cargo-Domizil waren dann auch diese Fahrten zu Ende, und es verblieben noch vereinzelte Extrafahrten und die sommerlichen Fitnessfahrten durch das Historic-Team Erstfeld.
Ursache
Es bleibt die Frage nach der Ursache des Heissläufers.
Ich bin kein Fachmann und will auch den Ergebnissen der Abklärungen der Fachleute nicht vorgreifen.
Zu Handen der nun folgenden Diskussionen möchte aber doch folgendes zu
bedenken geben:
Die Lok stammt aus dem Jahr 1931 und besitzt Gleitlager.
Diese haben eine begrenzte Lebensdauer, beste Pflege und schonenden Umgang hin oder her.
(Wann die 11801 zum letzten Mal neue Lagerschalen erhalten hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Bestenfalls bei der grossen Revision 1971. Das würde bedeuten, dass die Lagerschalen inzwischen sicher 45 Jahre auf dem Buckel haben.)
Es gibt keine wirklich erkennbare Anzeichen für das Lebensende der
Gleitschalen eines Lagers, ausser Erwärmung. (Siehe dazu auch den Nachtrag
oben.)
Bei der Ae 8/14 11801 kommt noch erschwerend hinzu, dass die
Achsen nicht einfach im Rahmen geführt sind, sondern die Achsbelastung
zusätzlich durch ein ausgeklügeltes Hebelwerk geregelt wird.
Da kann ein leichtes Klemmen (ausgelöst durch eine Weichenfahrt oder Gleisunebenheiten) bereits zu einer minimalen Mehrbelastung eines einzelnen
Achslagers führen, so dass in Kombination mit dem nahenden Lebensende der
Lagerschalen, Grenzwerte überschritten sind und sich in relativ kurzer (Fahr-)Zeit eben ein Heissläufer
entwickeln kann.
Für die früheren Generationen von Lokführern, Heizern und
Werkstättenangestellten waren Heissläufer Alltag.
Für uns heute, schon eine kleine
Katastrophe.
Wobei die eigentliche Katastrophe - aus meiner Sicht - darin besteht, dass das zur Schadensbehebung notwendige Wissen, sowie die dafür notwendigen Werkzeuge und Einrichtungen, immer mehr verschwindet.
Hoffen wir, dass uns der Gotthard-Gigant Ae 8/14 11801 schon bald wieder mit seinen Ausfahrten erfreut.