Finanzprobleme bei SBB-Historic
Knickrige SBB oder hausgemacht?

In der Tagespresse und in der Eisenbahnpresse des Monats März fanden sich Stellungnahmen zu den Finanzproblemen bei der Stiftung SBB-Historic und den daraus resultierenden Überlegungen zur Stilllegung einer grösseren Anzahl historischer fahrbarer Fahrzeuge.
Eine, wenn nicht die Haupt-Schuld, orten diese Stellungnahmen bei der erneuten Reduzierung des finanziellen Beitrages des Mutterhauses SBB.
Verständlicherweise unterstützt die Führung von SBB-Historic diese Schuldzuweisung kräftig.
Aber, wie so oft, "schlägt man hier den Sack, und meint den Esel".

Schauen wir zurück in die Gründungszeit der Stiftung SBB-Historic:
Als vor der Jahrtausendwende die Aufteilung der SBB in Divisionen beschlossene Sache war, hatte der damalige SBB-CEO Benedikt Weibel ein Problem.
In verschiedenen Depots wurden fahrbare historische Fahrzeuge durch Teams in ihrer Freizeit betreut und auf Extra-Fahrten eingesetzt.
Im Verkehrshaus in Luzern waren Fahrzeuge der SBB ausgestellt und verstreut über die ganze Schweiz standen ausrangierte Maschinen als Lokomotiv-Denkmäler.
Hinzu kamen die bei den entsprechenden Kreisdirektionen domizilierten Archive der Vorgängerbahnen (z.B. GB-Archiv beim Kreis 2 in Luzern), sowie weitere Sammlungen mit Eisenbahnmaterial.
Dieses ganze historische Material konnte Benedikt Weibel keiner der zu gründenden Divisionen angliedern. Aus diesem Grunde sah Weibel die Lösung darin, dieses historische Material in eine neu zu gründende Stiftung SBB-Historic zu überführen.

Als Benedikt Weibel dieses Stiftungs-Projekt damals in den Medien vorstellte, äusserte er sich auch klar zu dessen Finanzierung.
Er erklärte damals in diversen Statements, dass SBB-Historic in jedem Fall eine Startfinanzierung durch das Mutterhaus SBB benötige.
Er wies auch darauf hin, dass SBB-Historic zukünftig für alle Divisionen die Archivierung nicht mehr benötigter wichtiger Unterlagen und Materialien zu übernehmen hätte. Dafür sei die Stiftung mit einem festen finanziellen Beitrag zu entschädigen.
Aus diesen Gründen, so erklärte Weibel damals in den Medien, setze sich die zukünfige Finanzierung der Stiftung durch das Mutterhaus SBB aus folgenden Komponenten zusammen:
 • Fester gleichbleibender Sockelbetrag als Abgeltung für den dauernden Archivierungsauftrag,
 • Anschub-Finanzierung für den Aufbau der Archive, Sammlungen und Aktivitäten.
Dieser zweite Betrag sollte in einer ersten längeren Periode gleich hoch bleiben, würde später aber periodisch abnehmen, bis auf den für eine Grund-Mitfinanzierung notwendigen Betrag.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die damalige Begründung Weibels:
Er gehe davon aus, dass die Stiftung nach einer Aufbau- und Konsolidierungsphase im Stande sein müsse, durch die Sammlungen, Archive und Fahrzeuge auch eigene finanzielle Mittel zu erwirtschaften.

Wir wissen, was danach kam:
Bis heute ist es keinem der drei bisherigen Leitern der Geschäftsstelle von SBB-Historic gelungen, eine solche teilweise Eigenfinanzierung aufzubauen.

Der erste Leiter der Geschäftsstelle war Erwin Mauron.
Aus meiner Sicht als Urner und Freund der Gotthardbahn, hat er leider als Erstes seine Energie dafür verwendet, den von Benedikt Weibel im Dienstgebäude des Depots Erstfeld vorgesehenen Standort des Archivs, in seine Nähe nach Bern zu holen.
Zugute halten kann man Erwin Mauron, dass er sich in die Belange der Fahrzeuge und der damals noch durch die Teams organisierten Fahrten nicht einmischte.

Dies änderte sich schlagartig, als er im Herbst 2005 durch Frau Stéphanie von Erlach abgelöst wurde.
Ihrer Grundhaltung – "Fahrzeuge, welche stehen, verursachen keine Kosten." – entsprechend, wurde der Fahrbetrieb und der Unterhalt der Fahrzeuge massiv eingeschränkt.
Für mich persönlich war ihre anfängliche Verweigerung einer Dampffahrt zum Jubiläum "125 Jahre Gotthardbahn" im Jahr 2007 der Höhepunkt an Ignoranz.
Diese Ansichten von Erlachs führten, unter Anderem, denn auch zum frustrierten Abgang einiger wichtiger Fachleute und Kenner im Bereiche der historischen Fahrzeuge.
Gemäss dem alten Sprichwort: "Wie der Herr, so ds Gscherr.", entwickelte sich unter den neuen und verbliebenen Mitarbeitern von SBB-Historic eine Art Dünkel: "Wir sind die Profis, und wissen es deshalb besser als ihr."
Ging es irgendwo um Zusammenarbeit mit anderen Gruppierungen, dann wollte man in jedem Fall die Leitung haben. Die Arbeit sollten dann gefälligst die Anderen erledigen. Denn leider paarte sich dieser Dünkel auch mit einem gewissen Minimalismus in Sachen Einsatzfreude.
In Kreisen der Freunde der historischen Eisenbahn waren deshalb die Erwartungen gross, als Frau von Erlach auf Ende 2011 ihre Kündigung als Geschäftsführerin einreichte.

Als dritter Leiter der Geschäftsstelle folgte nun Walter Hofstetter.
Ich gestehe ihm zu, dass er ein schweres Erbe anzutreten hatte. Bequeme, überhebliche Mitarbeiter und ein schlechtes Image nach aussen, sind bestimmt keine schönen Vorgaben.
Allerdings liess seine Personalpolitik entsprechende Korrekturen vermissen.
Er hat es unterlassen, die abgegangenen Fachleute für historische Fahrzeuge wieder zurück ins Historic-Boot zu holen, und/oder die unfähigen Mitarbeiter durch Leute mit dem nötigen "Eisenbahn-Herzblut" zu ersetzen.
Zumindest kommen unter seiner Führung die historischen Fahrzeuge wieder zum Einsatz und erfreuen die Leute im ganzen Land. Auch die Teams, welche die Fahrzeuge betreuten, konnten so wieder ihre Befriedigung bei den Ausfahrten erleben.
Leider wurde Walter Hofstetter von seinen Mitarbeitern nicht nur bezüglich der Flotten-Pflege (Rae TEE, ETR 470), und bei einigen Fahrzeugeinsätzen (Schwedenfahrt Be 6/8 III) schlecht beraten, sondern auch in Bezug auf den Umgang mit den Teams.
Der oben angeführte Dünkel (Originalzitat M.C.: "Wir sind die Profis und deshalb entscheiden wir.") verleitete die Geschäftsleitung dazu, möglichst viel an sich zu reissen, und die Selbständigkeit der Teams zu beschneiden oder kontrollieren zu wollen. Die Wunschvorstellung der massgebenden Leute wäre wohl, unter Leitung von SBB-Historic die Arbeit erledigende Marionetten-Teams.
Um dies zu erreichen, konzentriert man die Fahrzeuge auf möglichst wenige Teams. Dies wiederum dürfte zum Verschwinden einiger altgedienter Teams führen.
Sollte der Entscheid zur "Ausserdienstnahme" einer grösseren Anzahl von historischen Fahrzeugen, könnte dies, wegen "Hoffnungslosigkeit und Frustration" zu weiteren schmerzlichen Abgängen bei den Teams führen.

Und nun?
Es ist allen bisherigen Geschäftsleitungen während den vergangenen knapp zwanzig Jahren nicht gelungen, eine Selbstfinanzierung auf die Beine zu stellen, so wie sie Benedikt Weibel angedacht hatte.

Aktuell werden und wurden:

Aber, da wäre doch noch ein Stiftungsrat?
Er hat dies alles zumindest nicht verhindert und keinen ändernden Einfluss genommen.

Wie weit übrigens bei dieser nun angekündigten "Betrags-Reduzierung" durch das Mutterhaus SBB die Tatsache eine Rolle spielt, dass die Bundesbahn nicht mehr im Stiftungsrat vertreten ist, bleibe dahingestellt.
Zumindest fehlen so im Mutterhaus entsprechende Informationen, welche zum nötigen Problem-Verständnis und Verantwortungs-Bewusstsein wichtig wären.
Ein Gutes mag dies allerdings auch haben, denn bei der nächsten Wahl eines Leiters der Geschäftsstelle bei SBB-Historic, wird der Stiftungsrat frei wählen können und hoffentlich nicht mehr zur Übernahme eines SBB-Mannes mit bereits festgelegter Salär-Höhe verpflichtet sein.

Dass man in der Schweiz, auch mit wenig Geld, Archive und Sammlungen pflegen, sowie historische Fahrzeug unterhalten und einsetzen kann, beweisen nicht nur grosse Bahngesellschaften wie die RhB, sondern viele Vereine, Gruppierungen und Private jedes Jahr wieder.
Wie viel mehr müsste dies einer von der Staatsbahn mitfinanzieren Stiftung gelingen!

Aber dazu müsste man erst mal im eigenen Hause bescheidener werden.
Vor Allem aber müsste man "vom hohen Ross runterkommen" und anerkennen, dass auch Andere gute und vor allem finanziell günstigere Ideen haben können.
Man müsste Willens sein, von Anderen zu lernen, welche es besser vormachen.
Und man müsste Allianzen eingehen.
Aber dazu müsste die uneingeschränkte Bereitschaft (und Fähigkeit) vorhanden sein, mit Anderen zusammen arbeiten zu wollen.

Hoffen wir, dass es der nächste Leiter der Geschäftsstelle richtet.
Wenn nicht: "Quo vadis SBB-Historic?"

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