Kein Winterdienst mehr auf der Gotthard-Bergstrecke?

Mitte Dezember 2016 war in Erstfeld Erstaunliches zu erfahren.

Es scheint, dass die SBB für die Gotthard-Bergstrecke nur noch einen rudimentären Winterdienst vorsehen.
Das deutet auf die Absicht hin, dass bei grösseren Schneefällen oder Lawinengefahr die Strecke einfach geschlossen wird.

Ursprünglich war der Winterdienst an der Gotthard-Bergstrecke Sache des Bahnmeisters.
Dieser war verantwortlich für das notwendige Personal (Schneeschaufler etc.) für den Schneebruch und den Abtransport des Schnees, insbesondere auf den Stationen.
Für das Offenhalten der Strecke selbst, sowie das Räumen von grösseren Schneerutschen oder gar Lawinen konnte er dabei auf die der Werkstätte in Erstfeld zugeteilten Dampfschneeschleuder Xrot 100 (heute VHS Luzern) zurückgreifen, welche auch das entsprechende Bedienpersonal stellte.
Dies wurde auch mit der Zuteilung der neuen dieselelektrischen Schneeschleudern weitergeführt.

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Schneeschleuder "versorgt" hinter weiteren Fahrzeugen

Mit dem Übergang der Werkstätte in Erstfeld an SBB-Cargo, verblieben 1999 auch die Schneeschleudern bei der Depot-Werkstätte und wurden nun vom Cargo-Werkstättenpersonal bedient.
Nach dem erfolgreichen Aufbau der Betriebswehr in Erstfeld in den letzten Jahren, ging diese Funktion an diese Gruppe über.
Für den Winter 2015/2016 erhielt dann SBB Infrastruktur(Abteilung Betrieb, Unterabteilung Intervention) diesen Auftrag.

Wie nun zu vernehmen war, wurde diese Aufgabe, für den aktuellen Winter 2016 / 2017, nicht mehr an SBB Infrastruktur erteilt.
Beide grossen Schneeschleudern Xrotm 95 und Xrotm 96 erhielten zwar erst kürzlich im IW Biel die notwendige Zugsicherung eingebaut.
Nun stehen sie wieder in Erstfeld, sind aber scheinbar arbeitslos.
Zumindest haben sie aktuell kein zugeteiltes Bedienpersonal mehr.

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Xrotm 95 steht arbeitslos in Erstfeld

Als einzige Winterdienst-Massnahme hat die Organisationseinheit "Infrastruktur Instandhaltung" (sie betrieben bisher lediglich die kleinen zweiachsigen Schleudern für die Räumung der Bahnhofgleise), zusätzlich den Auftrag zur Stellung eines "Schneepiketts" erhalten.
Dieses umfasst die Bereithaltung einer Re 420 und eines Lokführers, um gegebenenfalls die Bergstrecke bei starken Schneefällen mit dem Schneeräumer der Lok "freifahren" zu können.
Dies ist insofern wichtig, als nachts - falls keine Güterzüge umgeleitet werden müssen - etwa während 10 Stunden keine Züge mehr zwischen Erstfeld und Biasca unterwegs sein werden.
Den ersten TILO-Flirts am Morgen kann diese Aufgabe des Freifahrens ja kaum zugetraut werden, insbesondere dann, wenn die gefallene Schneemenge mehr als 10 - 15 cm beträgt und über die Schienen-Oberkante gewachsen ist.

Überhaupt stellt sich im Zusammenhang mit den Triebzügen FLIRT eine weitere Frage.
Bei hoher Lawinengefahr oder der Gefahr von Schneerutschen dürfen, gemäss geltender Regelung, auf der Gotthard-Bergstrecke Triebzüge nur mit einer Vorspannlok verkehren, um ein Auffahren und damit Entgleisen der leichten Drehgestelle auf dem Schnee zu vermeiden.
Dies galt früher sowohl für den RAe TEE, wie auch später für die ETR 470 (CIS) und ETR 610.
Es gibt für mich keinen ersichtlichen Grund, weshalb diese Vorsichtsmassnahme nicht auch für die FLIRT-Triebzüge gelten sollte.

Was werden die SBB in einem strengen Winter machen?
 – Wieder lokbespannte Züge einsetzen?
 – Den Betrieb einstellen?

Da nur zwei Möglichkeiten wählbar sind, gilt für einmal der Spruch nicht "Dreimal darfst du raten."