Endlich Nägel mit Köpfen
Das Gotthard-Konzept der SOB

Heute 7. Juli 2016 orientierte die Schweizerische Südostbahn AG SOB über ihre zukünftigen Absichten am Gotthard und in der Ostschweiz.

Zur Erinnerung:
Am 9. August 2014 veröffentlichten die SBB erstmals ihre zukünftigen Pläne zum Personenverkehr über die Gotthard-Bergstrecke nach der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels GBT.
Diese planten, bereits ab Fahrplanwechsel 2016 (Aufnahme des Regelbetriebes im GBT), ihr Angebot auf der Bergstrecke dahingehend zu ändern, dass die InterRegios (IR) ab Luzern (Basel) und Zürich in Erstfeld enden sollten. Auf den bisherigen Trassen der IRs würde ein S-Bahn Triebwagen FLIRT der TILO (Ticino-Lombardia) die Passagiere über die Bergstrecke nach Bellinzona bringen, wo der Anschluss auf einen IR Locarno.-.Lugano.-.Chiasso erfolgen würde.
Umgehend präsentierte auch die SOB in den Medien ihr Konzept „Treno Gottardo“ mit der Idee, den Voralpen-Express VAE St.Gallen - Luzern in Arth-Goldau zu stürzen und über die Gotthard-Bergstrecke zu führen.

Das für die Konzessionsvergabe zuständige Bundesamt für Verkehr BAV reagierte umgehend.

Seit dem Bekanntwerden der SBB-Absichten im August 2014 waren die Reaktionen bei Fachleuten und Kunden äusserst harsch.
Von "touristischem Supergau" war die Rede, und davon, dass die SBB ihre Verantwortung an der weltberühmten Bergstrecke nicht wahrnähmen. Schliesslich sei diese ja sogar als UNESCO-Welterbe im Gespräch.
Die SBB verteidigten ihr Konzept und versuchten mit allen Mitteln dessen Vorzüge anzupreisen. Nach den unerwartet heftigen Reaktionen in den Medien, musste allerdings die Projektvorstellung von SBB-Personenverkehr anlässlich einer bereits publizierten Medienfahrt in einem TILO-FLIRT von Bellinzona nach Erstfeld, innert wenigen Tagen thematisch umorganisiert werden.

Inzwischen haben selbst die Verantwortlichen bei SBB Personenverkehr feststellen müssen, dass ihr Projekt grosse Planungs-Mängel aufweist. So haben sie endlich gemerkt, dass sie ihr eigenes Produkt „Wilhelm Tell-Express“ totgeplant haben. (Kombination Dampfschifffahrt Luzern - Flüelen, ab da Weiterfahrt im Panoramawagen 1. Klasse im IR ins Tessin)
Der Fehler soll nun dadurch korrigiert werden, dass der betreffende IR doch über die Bergstrecke ins Tessin weiterfährt.
Um in bekannter SBB-Manier eine Fehler-Korrektur als Innovation verkaufen zu können, soll in diesem Zug ein zweiter Panoramawagen eingereiht werden.

An der Medieninformation hielt Thomas Küchler, CEO der SOB fest, dass nach der Ablehnung von "Treno Gottardo", sehr viele Leute aus Politik, Tourismus aber auch Kunden deswegen ihr Bedauern ausdrückten. Dieses allerdings immer verbunden mit der Motivation, man solle die Projektidee unbedingt so weiterentwickeln, dass sie den Anforderungen des BAV genügen würde.
Küchler führte weiter aus, man hätte dies getan, auch im Wissen darum, dass sich inzwischen die Rahmenbedingungen grundlegend zu Gunsten eines SOB-Projektes geändert hätten.
So wurden letzte Woche die Grundlagen für den Regionalen Personenverkehr beim Bund reformiert. Insbesondere wurde die Frage der Abgrenzung zwischen Regionalem Personenverkehr und Fernverkehr geklärt. Mit der Definierung einer Art „Regionalem Fernverkehr“ wurden neue Rahmenbedingung geschaffen, welche die SOB nun zu benutzen gedenkt.
Aktuell liegen nun sogar zwei Angebotskonzepte bei den SOB vor. Einmal für den Korridor Gotthard und zusätzlich für einen Korridor Ostschweiz.

Die Ziele sind in beiden Fällen eine qualitative Weiterentwicklung des Schweizerischen ÖV, dazu ein direkter und komfortabler Fernverkehr im Rheintal und ein kundenorientiertes und effizientes Angebot am Gotthard, verbunden mit einer entsprechenden touristischen Verantwortlichkeit für die Gotthardregion.
Dabei sollen Bund und Kantone als Mitfinanzierer nicht zusätzlich belastet, sondern gar entlastet werden, weshalb die SOB ihren beiden Projekten eine hohe Eigenwirtschaftlichkeit mit einem hohen Deckungsgrad zu Grunde legt.
Beim Korridor Gotthard umfassen die Zulaufstrecken die Linien Zürich - Zug - Arth-Goldau und Basel - Luzern - Arth-Goldau sowie die Bergstrecke Arth-Goldau - Lugano.

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Zugführung in Arth-Goldau

Arth-Goldau wird dabei zum Knotenpunkt, an welchem auch die Übergänge vom IR der SBB nach Erstfeld erfolgen.
Der Ablauf in Arth-Goldau wird also ähnlich sein, wie heute. An Stelle der EuroCity treten quasi die SOB-Züge, die SBB-IR behalten ihren Platz, verkehren aber nur noch bis Erstfeld.
Daraus ergibt sich ein zweistündiger Takt von SOB-IR ab Zürich oder Luzern bis Arth-Goldau, und ein stündlicher über den Gotthard bis Lugano.

Dies ermöglicht Fahrten ab Zürich oder Basel nach Lugano, ohne umsteigen zu müssen.
Gegenüber dem SBB-Konzept, kommt beim SOB-Projekt hinzu, dass im Tessin zusätzliche Haltepunkte angefahren werden.
Um die touristische Verantwortung am Gotthard wahrzunehmen, sollen dort die SOB-IR eine Zugbegleitung erhalten.
Auf die regionalen Anbieter im Bereiche ÖV wird durch eine entsprechende Zusammenarbeit Rücksicht genommen.

Bezüglich des Rollmaterials herrscht auch bei der SOB Transparenz. Die neuen bei Stadler bestellten VAE-Triebzüge werden auch am Gotthard zum Einsatz kommen.
Diese basieren zwar ebenfalls auf den FLIRT-Triebzügen, werden aber in einer komfortableren Fernverkehrsversion, mit einer bequemeren Bestuhlung ausgeführt.

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Nach genauem Studium von Nachfrageanalysen ist die Führung der SOB überzeugt, dass eine gute Wirtschaftlichkeit erreicht werden kann.
Nach Berechnung der SOB können durch Effizienzsteigerung pro Jahr  für Bund und Kantone Kosten von etwa 25 Millionen Franken eingespart werden.
Nach einem positiven Entscheid, würde die SOB drei Jahre benötigen, um die zusätzlich notwendigen 20 Triebzüge zu beschaffen und das zusätzliche Personal zu rekrutieren.
Dies würde alleine in Erstfeld wieder 20 zusätzliche SOB-Arbeitsplätze generieren.

Themenbild Zukunftsmusik: ein SOB-Triebzug in der Biaschina bei Giornico vecchio