Heute, 19. April 2016, informierten Jeannine Pilloud, Leiterin SBB Personenverkehr, und Philippe Gauderon, Leiter SBB Infrastruktur, anlässlich eines Medienanlasses in Arth-Goldau offen über die Probleme der SBB mit der Fahrplan-Stabilität auf der Gotthardachse.
Die Pünktlichkeit liegt am Gotthard mit 82 Prozent rund 7 Prozent unter dem gesamtschweizerisch angestrebten Wert.
Zurückzuführen sind die Probleme vorwiegend auf Verspätungen aus Italien, technische Störungen beim Rollmaterial, sowie neue Anlagen und zahlreiche Baustellen.
Jeannine Pilloud äusserte Verständnis für die Fahrgäste, welche sich auf Grund von Störungen mit Verspätungen und damit mit verpassten Anschlüssen herumärgern müssten.
Sie zeigte auf, dass die Probleme und deren Ursachen bekannt sind, und deshalb an deren Behebung gearbeitet werden kann.
38% aller Verspätungen entstehen im Bereich der Anschlüsse.
Hier hat die Abhängigkeit von Italien einen hohen Stellenwert. Gelten in der Schweiz nur Züge innerhalt einer Fahrplan-Differenz von 3 Minuten als nicht verspätetet, gilt in Italien ein Wert von 15 Minuten. Es kommt hinzu, dass in Italien Regionalzüge Vorrang vor Internationalen Zügen haben. Dies führt zwischen Mailand und Chiasso laufend dazu, dass leicht verspätete ECs hinter Regionalzügen herzuckeln und mit vor jeder Haltstation anhalten müssen. Dadurch werden diese laufend noch mehr verspätet.
Rund ein Drittel der Verspätungen hat ihren Ursprung in Italien.
Nach Chiasso werden aktuell ECs und IRs zwischen Bellinzona und Arth-Goldau auf Grund von Baustellen regelmässig um 5 - 7 Minuten verspätet.
Dies führt insbesondere auf der einspurigen Zürcherlinie zwischen Arth-Goldau und Zug zu grossen Problemen mit Folgeverspätungen.
Die Lösung des Italienproblems wird wohl noch etwas dauern, da hier das politische Parkett involviert ist, und man auf das Verständnis der Italienischen Staatsbahnen angewiesen ist. Eine extra eingesetzte Arbeitsgruppe versucht hier Lösungen zu finden
Auf Seiten der SBB wird mit der Priorisierung des Personenverkehrs versucht die Verspätungen zu minimieren und die Zugläufe zu optimieren. Dazu soll wieder "in die alte Zeiten" zurückgekehrt werden, in denen die Betriebszentralen vermehrt durch aktuelle Entscheide die Zugläufe durch manuelles Eingreifen verbessern dürfen.
Um die Umsteigezeiten minimieren zu können, werden die Zugwechsel, beispielsweise in Arth-Goldau, wieder an dieselben Perrons verlegt.
Zudem wird in Biasca die Abfahrt der IR in Richtung Norden um eine Minute vorverlegt.
Ebenfalls als Verbesserungswürdig wird die Kundeninformation angesehen.
Dieser Absicht kann ich als Kunde nur zustimmen.
Wenn ich in Flüelen auf einen IR zusteige, interessiert mich nicht, ob dieser 3 oder 4 Minuten verspätet ist. Dann will ich in der Durchsage hören, ob ich in Arth-Goldau meinen Anschluss nach Zürich/Luzern noch habe, oder nicht.
31 % aller Verspätungen werden durch Störungen beim Rollmaterial verursacht.
Das grösste Sorgenkind sind dabei die ETR 610.
Insbesondere im Bereich Neigetechnik und Antrieb treten laufend
Störungen auf.
Die ETR 610 von Alstom sind sehr störungsanfällig. |
Die in der Schweiz produzierten ICN laufen äusserst zuverlässig. |
Bekanntnlich hat die SBB, noch zu Zeiten der Cisalpino AG, bereits 7 ETR 610 geordert.
Um die Problem-Pendolini ETR 470 am Gotthard ersetzen zu können, wurden von den SBB später bei Alstom weitere 8 Triebzüge ETR 610 bestellt, obwohl der Testzug nach zweijähriger Testphase am Gotthard immer noch nicht zuverlässig unterwegs war.
Um den Betrieb durch den GBT aufnehmen zu können, bestellten die SBB schiesslich noch 4 weitere ETR 610.
Um das Fiasko mit den ETR 470 (Pendolini der ersten Generation) - welche von den Kinderkrankheiten direkt in die Altersgebresten übergingen
- zu vermeiden, sollen die ersten 7 ETR 610 auf denselben Stand gebracht werden, wie die später bestellten (Dafür haben die SBB rund 20 Mio Franken vorgesehen.).
Zur Behebung der Störungsanfälligkeit bei den neueren Triebzügen müssen die SBB zwischen 2016 und 2018 weitere 12,9 Mio Franken aufwenden.
Ziel ist es, die ETR 610 auf ein gleiches Zuverlässigkeitsniveau zu heben, wie es die ICN aufweisen.
Auf rund 13 % der Verspätungsminuten haben die SBB keinen Einfluss.
Diese sind zu einem grossen Teil auf "höhere Gewalt" zurückzuführen, sprich Witterungseinflüsse und Naturgewalten.
Verspätungsursache Infrastruktur
Philippe Gauderon erklärte, dass die Verspätungsursachen am Gotthard nur zu 6% bei der Infrastruktur liegen würden. SBB-weit liegt dieser Wert bei 17%.
Diese Zahl belegt, dass die Infrastruktur am Gotthard in einem hervorragenden Zustand ist. Die trotzdem vorhandenen Ursachen teilen sich auf drei Bereiche auf.
Mit 7 % liegen Planung und Betrieb in Front, gefolgt von Störungen bei Anlagen mit 6 %.
5 % werden durch Bau und Unterhalt verursacht.
Mit dem Verzicht auf die fahrplanmässige Beschleunigung von Zügen und dem Einbau von Reservezeit in Umsteige-Bahnhöfen sollen zukünftig Verspätungen abgefedert werden.
Hier kommt den SBB die Rückstellung des Ausbaues der Zugerlinie zu Hilfe.
Die Kinderkrankheiten beim ETCS auf der Strecke Brunnen - Erstfeld konnten mit dem Einbau zusätzlicher Balisen in Flüelen und Altdorf und einer teilweisen Neuprogrammierung, insbesondere bei den Anmeldebalisen in Brunnen und Erstfeld, eliminiert werden.
Auch die Softwarefehler auf einigen Fahrzeugtypen (BR 185) konnten zumindest soweit korrigiert werden, dass die Fahrzeuge nun am Gotthard, mit bestimmten Massnahmen, wieder fahren können. Bis 2017 sollten diese Probleme gänzlich behoben sein.
Was die Verspätungen durch Bau und Unterhalt angeht, will Infrastruktur durch schnelleres Bauen versuchen, Verspätungsursachen zu eliminieren.
Das bedeutet für die Passagiere wegen totaler Streckensperrungen zwar eine kurzfristig stärkere Einschränkung, SBB-I verspricht sich aber davon eine schnellere Erledigung der Arbeiten.
Um die Einschränkungen möglichst gering zu halten, werden solche Sperrungen auf die Wochenenden gelegt.
Um die Schliessung der Luino-Linie ( 6 Monate Totalsperrung) abfedern zu können, werden 2017 pro Stunde nur 4 statt bisher 5 Güter-Trassen pro Stunde eingeplant.
Auch nach Inbetriebnahme des neuen Gotthardtunnels bleibt die SBB gefordert:
Zur Entfaltung des vollen Zeitgewinns im Personen- und Güterverkehr wird sie bis Ende 2020 auch den Ceneri-Tunnel sowie den Vier-Meter-Korridor realisieren.
Dafür setzt sie auf der gesamten Gotthard-Achse rund 25 Bauprojekte um.