BLS verliert am Gotthard Transportaufträge an SBB

Eine lapidare Meldung des SBB-Informationsdienstes vom 2. April 2013 birgt für den Kanton Uri, insbesondere für Erstfeld, einigen Zündstoff.

„SBB Cargo fährt ab dem Fahrplanwechsel 2013/14 im Auftrag von DB Schenker Rail einen bedeutenden Teil der Transit-Verkehre durch die Schweiz. Dank diesen zusätzlichen Betriebs- und Traktionsleistungen kann SBB Cargo ihre bestehenden Produktionskapazitäten und Ressourcen optimal auslasten.“

Bisher haben die BLS für die Cargo-Gesellschaft der Deutschen Bundesbahn, DB-Schenker, jährlich gut 5000 Züge im Nord-Süd-Verkehr transportiert.
Diesen Gütertransport-Grossauftrag haben die BLS für das Jahr 2014 an die SBB verloren.

Die BLS gab bekannt, dass die Verhandlungen mit DB-Schenker gescheitert seien. Sie habe darauf verzichtet, eine nicht kostendeckende Offerte für den Auftrag abzugeben, da das Unternehmen im vergangenen Jahr 1,85 Millionen Franken Verlust geschrieben habe.
Durch die ab 2013 gestiegenen Trasseepreise und den Währungseffekt habe man beim deutschen Partner DB-Schenker für einen höheren Preis offerieren müssen.

Die deutsche Logistikfirma akzeptierte das Angebot nicht und entschied sich, den Auftrag an SBB-Cargo zu vergeben, welche einen tieferen Preis forderte.

So weit, so gut.

Die Folgen aber sind, vor Allem in Erstfeld, gravierend:
Das stark verringerte BLS-Verkehrsvolumen auf der Gotthardachse wird den Abbau von rund 50 bis 60 Lokführerstellen zur Folge haben.
In Erstfeld dürfte es wohl über dreissig Lokomotivführer treffen.
SBB-Cargo selbst fehlen zur Zeit zwar auf der Nordseite des Gotthards eine grössere Zahl qualifizierter Lokomotivführer. Auf der Südseite hingegen besteht ein Überbestand.
Ob die BLS-Führer wieder zu ihrem (zum Teil) ehemaligen Arbeitgeber zurückkehren? In Erstfeld dürfte das einigen schwer fallen, sind sie doch damals mit Hähme zur „besseren“ Arbeitgeberin BLS abgewandert.
Wie sich die Sache auch entwickeln wird, einmal mehr trifft es den Standort Erstfeld.

Was bleibt, ist die Frage, weshalb SBB-Cargo tiefer als die Konkurrenz offerieren konnte.
BLS-Cargo, welche im vergangenen Jahr 1,85 Millionen Franken Verlust schrieb, hat wohl kaum eine überhöhte Offerte eingereicht.
Was aber macht SBB-Cargo günstiger als BLS-Cargo? Wollte man den unliebsamen Konkurrenten am Gotthard um jeden Preis ausbooten?
Laut Presseabteilung der SBB werde der Auftrag nicht nur kostendeckend sein, sondern das Geschäftsergebnis von SBB Cargo verbessern. Man habe sorgfältig und realistisch kalkuliert. Seit drei Jahren treibe man die Sanierung von SBB Cargo voran, und hätte dabei die Verwaltung abgebaut, die Abläufe optimiert und zum Teil schmerzhafte Bereinigungen vorgenommen. Darum sei man heute in der Lage, international konkurrenzfähige Offerten abzugeben und Arbeitsplätze in der Schweiz zu sichern.

Ob weitere Arbeitsplätze in Erstfeld verloren gehen, ist noch offen.
BLS Cargo prüft gemäss einer Medienmitteilung, den Lokführerstandort Erstfeld in den Raum Arth-Goldau zu verlegen, um Synergien mit dem Standort Luzern nutzen zu können.
Bis Mitte Jahr will man informieren, wie der Stellenabbau und die Zukunftspläne am Gotthard vorangehen sollen.

Weshalb aber torpediert die Deutsche Bahn ihren langjährigen Partner?
Das gemeinsame Unternehmen zwischen DB und BLS besteht seit zwölf Jahren.
Zu 52 Prozent gehört es der BLS.
Brisant ist, dass BLS-Cargo zu 45 Prozent der deutschen DB-Schenker gehört.
Laut einem BLS-Sprecher will, man nun diskutieren, wie die Partnerschaft nach dem für die BLS negativen Entscheid weitergeht.
Grundsätzlich sei keine Möglichkeit ausgeschlossen.
Gut möglich also, dass sich DB Schenker, nach der Torpedierung der eigenen Minderheitsbeteiligung, von ihrem Anteil an der BLS Cargo trennen wird.