Zur Zukunft des Depots Erstfeld
Anfang Juli 2012 erreichte die folgende, unscheinbare Mitteilung der SBB die Medien:
Die SBB hat einen Projektkredit von 53 Millionen Franken für das Bauprojekt der Erhaltungs- und Interventionszentren (EIZ) in Erstfeld beziehungsweise 68 Millionen Franken für das EIZ in Biasca gesprochen. Die Zentren werden für den Unterhalt sowie für die Behebung von Störungen im neuen Gotthard-Basistunnel gebaut.
Für das Lokomotiv-Depot Erstfeld und das dort beheimatete Team von
SBB-Historic hat diese Meldung weitreichende Konsequenzen.
Mit davon
betroffen ist somit auch die Zukunft der Gotthard-Bergstrecke.
SBB-Cargo verlässt Erstfeld
Das Lokomotiv-Depot Erstfeld gehörte bisher zum Bestand von SBB-Cargo.
Mit dem Wechsel zur Division SBB-Infra verliert das Depot Erstfeld seine
letzten betrieblichen Funktionen. Damit verlassen auch die letzten
Lokomotivführer das Depot Erstfeld.
Der Abgang von SBB-Cargo aus dem Depot Erstfeld bringt nicht nur den Verlust von Arbeitsplätzen mit sich, sondern betrifft auch SBB-Historic direkt.
Das Team Erstfeld umfasst zu einem grossen Teil Lokführer von SBB-Cargo. Mit der Aufgabe des Standortes Erstfeld erhöht sich auch die Distanz der Team-Mitglieder zum Depot Erstfeld. Sie sind in Zukunft nicht mehr „hier zu Hause“ und präsent.
In diesem Zusammenhang entsteht auch ein Verlust für die bisherige touristische Nutzung im Bereich Depot-Führungen mit
der Besichtigung der im Depot Erstfeld stationierten aktuellen und historischen Lokomotiven.
Spontane Besuche durch Touristen waren bisher möglich und wurden jeweils durch anwesende Cargo-Lokführer begleitet. Diese Möglichkeit dürfte in Zukunft wegfallen, da kein Lokpersonal mehr verfügbar ist.
Organisierte, d.h. vorangemeldete Führungen zum historischen Rollmaterial werden wohl weiterhin möglich sein und durch Team-Mitglieder von SBB-Historic wahrgenommen.
SBB-Infrastruktur übernimmt, Umbau des Depotareals
Dass die Funktion des Depot Erstfeld nach Inbetriebnahme des Basistunnels eine anders geartete sein würde, war zu erwarten.
Dass die SBB deshalb das Areal und die Gebäulichkeiten einer anderen, neuen Nutzung zuführen wollen, ist verständlich und legitim.
Das Depot Erstfeld erhält als Interventionszentrum für den Basistunnel eine völlig neue Aufgabe. Hierfür
muss das Depot-Areal der neuen Funktion angepasst und deshalb umgestaltet und umgebaut werden.
Es stellt sich hier allerdings die Frage des Erhaltes historischer Substanz.
Die Denkmalpflege der SBB ist zwar involviert, hat aber keine Weisungsbefugnis.
Sie versucht einen gangbaren Kompromiss zu finden, indem sie die historisch wichtigsten Teile zu schützen versucht.
Auf der Strecke zu bleiben scheint bei SBB-Infra allerdings die Affinität
für die Historie und die Weitsicht in Hinblick auf die Nutzung im Zusammenhang mit einem zukünftigen touristischen Betrieb mit historischen Fahrzeugen auf der Bergstrecke.
Der geplante Umbau führt im Depot Erstfeld zum Verlust historischer Substanz.
Zudem wird die zukünftige touristische Nutzung
des Lokomotivdepots stark eingeschränkt, weil der Umbau für das Historic-Team zu starken logistischen Einschränkungen im Depotbereich
führt.
Kommt hinzu, dass SBB-Historic in Zukunft wohl nur noch „geduldet“ sein wird.
Der Verlust an historischer Substanz ist aus meiner Sicht schwerwiegend, zum Teil auch
direkt verbunden mit
weitreichenden Folgen für das Historic-Team Erstfeld.
So stammt der westliche Anbau (Werkstätte) an der südlichen Dampfremise
(1) aus dem Jahr
1886.
Dieser beherbergt die gesamte mechanische Werkstätte mit dem
Maschinenpark für Metallbearbeitung, Untersuchungsgruben und
Kontrollstege, Laufkranen und die Einrichtung zur Absenkung von Achsen.
Diese ist industrie-historisch wertvoll, weil sie nicht mit Druckluft
oder Öl funktioniert, sondern mittels Wasserdruck. Deren Verlust wäre
besonders schmerzlich.
Auch auf der Ostseite des Depots gehen
historische Komponenten verloren.
So wird dort der letzte Wasserkran
(2) des Depots Erstfeld verschwinden. Ein stilreines Wasserfassen mit
Dampflokomotiven wird deshalb nicht mehr möglich sein.
Die dortige
Kürzung der Schiebebühne hat zwar keine historische Relevanz, hat aber für
das Historic-Team einschränkende Auswirkungen, da damit in Zukunft eine
Ausfahrt aus den Remisen via die Schiebebühne nicht mehr möglich ist.
Dasselbe gilt für den Verlust der Südausfahrt aus der südlichen
Dampfremise. (3) Ein rauchfreies Ausschlacken von Dampflokomotiven wird damit
dort nicht mehr möglich sein.
Auch das Benützen der Drehscheibe
[Abdrehen von (Dampf-)Lokomotiven] im Südkopf des Bahnhofs (4) wird für das
Historic-Team nur noch mit zusätzlichen Rangierfahrten möglich sein, da
die direkten Verbindungen zur Remise beim Umbau gekappt werden.
Der Verlust der heutigen Gleisanschlüsse auf der Ostseite des Depots und die Einschränkung der Schiebebühne auf die Remisen, hat massive betriebliche Einschränkungen für das Historic-Team zur Folge.
Die südliche Dampfremise wird dann nur noch über die Schiebebühne erreichbar sein. Die direkte Verbindung zur Drehscheibe geht ebenfalls verloren.
Ganz besonders schwer wiegt aber der Verlust der Werkstätte, welche Aufarbeitung, Unterhalt und Reparatur der historischen Fahrzeuge vor Ort möglich machen würde.
Historic wird bei der vorgesehenen Lösung bei grösseren Schäden an den
Lokomotiven nicht darum herum kommen, defekte Fahrzeuge - mit grossem finanziellem Aufwand - zur Reparatur an geeignete Werkstätten zu überführen.
Nach dem geplanten Ausbau der Zufahrt am Axen auf modernste Signalisierung, wird hierfür sogar die Anmietung entsprechend zugelassener Lokomotiven notwendig sein.
Zukünftiger Ausbau der Bergstrecke
Hierzu liegen die Fakten noch etwas im Dunkeln.
Von Seiten SBB wurde
bereits „laut gedacht“, dass eine Umstellung auf modernste Signalisierung zu überlegen sei.
Ein solcher Umbau würde bedeuten, dass Fahrten mit historischen Lokomotiven auf der Bergstrecke nur noch dann möglich wären, wenn diese mit enormem finanziellem Aufwand mit den entsprechenden Geräten nachgerüstet würden.
Ein solcher finanzieller Kraftakt dürfte von SBB-Historic kaum zu leisten sein.
Kann und soll dieses Projekt wie geplant realisiert werden?
Wann
wehrt sich endlich jemand (in Uri) für die touristische Zukunft der
Bergstrecke?
Wer wehrt sich für das Historic-Team Erstfeld und
zukünftige touristische historische Fahrten auf der Bergstrecke?
Es ist
fünf nach Zwölf!