Gotthard-Bergstrecke als UNESCO Weltkulturerbe?
Am 15. März 2006 fand im Staatsarchiv Uri der diesjährige „Runde Tisch“ statt. Dieser Informationsabend zu Geschichtsthemen galt diesmal einem aktuellen Thema.
Im Zentrum stand diesmal die Gotthard-Bergstrecke und die Frage, ob sie als UNESCO Weltkulturerbe anerkannt werden kann.
Um überhaupt eine solche Pionierleistung dem Komitee in Paris als kulturelles Erbe von weltweiter Bedeutung schmackhaft zu machen, ist eine grosse Vorarbeit nötig.
Sechs Objekte haben es in der Schweiz geschafft, das Label Weltkulturerbe zu erhalten: die Klosteranlage von Mustair, der Klosterbezirk St. Gallen, die Altstadt von Bern, die Burgen von Bellinzona, das Aletschgebiet und der Monte San Giorgio.
Auf der neuen Liste der Schweiz stehen die Bauten von Le Corbusier, die Albula-Bernina-Bahn, die Stadtlandschaft von La Chaux-de-Fonds und das Weinbaugebiet Lavaux.
Seit drei Jahren wird durch eine Gruppe der Fachstelle mit Toni Häfliger, Karl Hollenstein und Erich Schmid ein Inventar der vorhande-nen Objekte rund um die Gotthard-Bergstrecke zwischen Erstfeld und Biasca erstellt. Dieses Inventar umfasst zur Zeit die Hochbauten, die Brücken, die Durchlässe sowie die Stütz- und Leitwerke. Die Arbeit wird noch in diesem Jahr abgeschlossen und dürfte als Dokumentation im Jubiläumsjahr 2007 erhältlich sein.
Damit ist zwar ein Grundstein für eine Anmeldung als Weltkulturerbe gelegt. Allerdings sind noch viele weitere Abklärungen nötig. Wichtig ist dabei die Zusammenarbeit aller Beteiligten: der SBB, der Kantone Uri und Tessin, der Gemeinden und der Tourismusfachleute.
Vorliegen muss in jedem Fall auch ein klares Konzept für die Weiterführung der Bahn. Entgegen früherer Verlautbarungen wird gemäss den SBB-Verantwortlichen die alte Strecke auch nach der Eröffnung der NEAT noch gebraucht werden.
In der Fragerunde interessierte die Anwesenden natürlich der Aspekt, welche Konsequenzen eine Aufnahme als Weltkulturerbe für Uri hätte.
Hierzu konnte der Leiter der Fachstelle keine eindeutige Antwort geben. Er verwies aber auf Erfahrungen bei der Semmering-Bahn, wo eine vermehrte touristische Aktivität feststellbar ist.
Welche Folgen das Label für die SBB und den Bahnbetrieb hätte, zeigte er wiederum am Beispiel der Semmering-Bahn auf: Einschränkungen im alltäglichen Bahnbetrieb, auf den Unterhalt sowie allfällige notwendige Erneuerungen sind nicht zu befürchten. Das Label führte dort allerdings zu einem aufmerksameren und verantwortungsbewussteren Verhalten der zuständigen Stellen.
Kommentar:
Das Ziel auf die Liste möglicher Schutzobjekte zu kommen, ist in den letzten Jahren schwieriger geworden.
Ein Grund liegt darin, dass besonders im Bereich Bahnen, international bereits mehrere Objekte im Verzeichnis sind, resp. ihre Kandidatur eingereicht wurde (in der Schweiz, die RhB).
Weiter zeichnet sich bei der UNESCO die Tendenz ab, nicht mehr nur einzelne Objekte zu schützen, sondern deren Umfeld in diesen Schutz einzubeziehen.
Es stellt sich daher die Frage, ob nicht nur die Bahnlinie, sondern der Gotthard-Verkehr als Ganzes zum Weltkulturerbe werden sollte. (Flüelen - Bellinzona?)
Dieser internationale Verkehrsweg hat zwei Talschaften (Uri/Tessin) über Jahrhunderte hinweg geprägt. Schützenswert ist deshalb der ganze Gotthard-Verkehr von der Säumerei bis zur NEAT.
Die Frage ist, ob die beiden Kantone Uri und Tessin bereit sind, im Bereiche des restlichen Gotthardverkehrs entsprechende Inventare und Dokumentationen erstellen zu lassen. (und zu finanzieren)
Für Uri ist festzustellen, dass bei den Verantwortlichen der Wille hierfür vorhanden ist.
Ob der Kanton Tessin diese Überlegungen nachvollziehen wird, muss die Zukunft zeigen.