Erneuter Komfortabbau in den Gotthard-IR geplant?
Anlässlich eines VIP-Anlasses am 15. Juni in Göschenen versprach die Leiterin der Division Personenverkehr Jeannine Pilloud, „die Pflege des Verkehrs über die Gotthardbergstrecke“.
Die selbe Leiterin sprach sich selber Hohn, hatte doch
SBB-Personenverkehr kurz zuvor entschieden, dass die Gepäckwagen aus den Interregio-Züge am Gotthard entfernt werden.
Bei diesen handelt es sich um ehemalige Gepäckwagen der Französischen Staatsbahnen SNCF des Typs Dd2 51-87 92-70 mit Baujahr 1978.
Davon wurden von den SBB ab 1990 40 Stück als Ersatz eigener Gepäckwagen übernommen.
Einige davon wurden auch in den IR am Gotthard als „Velowagen“ eingereiht.
Der Entscheid, die Wagen aus den Zügen auszureihen gründet darauf, dass die Wagen inzwischen erneut einer grösseren Revision bedürfen.
Um diese Kosten zu sparen, entschied SBB-Personenverkehr, diese nicht mehr zu revidieren und in Zukunft auf die Gepäckwagen in den Gotthard-IR zu verzichten.
Dies Alles geschah im Wissen, dass diese als „Velowagen“ gerade am Gotthard ein grosses Kunden-Bedürfnis darstellen.
Nach Angaben von SBB-Mitarbeitern erbrachte eine SBB-interne Untersuchung über das vergangene Pfingstwochenende
auf der Gotthard-Bergstrecke Zählungen von teilweise über 70 (siebzig) Fahrrädern pro Fahrt (!).
Einmal mehr ist festzustellen, dass bei den SBB finanzielle Einsparungen wichtiger sind, als der Dienst an den Kunden.
Wie stellen sich die Verantwortlichen bei SBB-Personenverkehr den
Transport einer grösseren Zahl von Fahrrädern in den IR vor?
Auf welche Weise sollen in Zukunft grössere Gruppen ihre Fahrräder auf die Südseite des Gotthards oder zurück bringen?
Laut früheren Verlautbarungen der SBB dürfen nur so viele Velos mitgeführt werden, wie Haken in den Zügen vorhanden sind. (pro Wagen maximal 2x 2 oder 3)
Die wenigen Hängeplätze auf den Wagenplattformen reichen kaum für ganze Familien aus, ganz zu schweigen für Gruppen.
In Zukunft müssen sich Familien mit Kindern oder Gruppen auf den Bahnhöfen auf die einzelnen Wagentüren verteilen, um alle Fahrräder in den Zug zu bringen.
Ein weiteres Problem haben jene Mofa-Fahrer, welche mit ihrem Gefährt per Bahn die Bergfahrt umgehen wollen. Welche Transport-Möglichkeiten haben sie in Zukunft?
An einen Velohaken hängen können sie ihr Gefährt ja wohl nicht. Abstellen auf den Plattformen ist nicht gestattet.
Einmal mehr wurde in den SBB-Etagen ein Entscheid gefällt, der jegliche Kundennähe und das Wissen um das Kundenverhalten vermissen lässt. Selbst die eigenen erhobenen Zahlen können scheinbar an solchen Fehlentscheiden nichts ändern.
Gerne hätte ich auch Begründungen und Argumente von Seiten der SBB berücksichtigt.
Leider habe ich auch nach einer Woche keinerlei Reaktion der SBB-Pressestelle
auf meine konkreten Fragen erhalten.
Als Urner und Eisenbahnfreund frage ich mich, wie lange man in Uri und im Tessin der „Tourismus-Verhinderung“ auf der Gotthard-Bergstrecke durch die SBB noch zuschauen will.

Das "Velo" auf der Seitenwand des Gepäckwagens hat bei SBB-P am Gotthard ausgedient.
Da ein Beitrag ähnlichen Inhalts von mir in den beiden Urner-Zeitungen publiziert wurde, reagierten die SBB.
Weshalb die SBB-Pressestelle, trotz vorheriger entsprechender Nachfrage meinerseits, auf die Erteilung dieser Information verzichtet hat? Keine Ahnung.
Die bisherige Situation mit den Gepäckwagen war vor allem an Spitzentagen für die Velofahrer alles andere als ideal. Die Ressourcenplaner planten deshalb schon länger eine Verbesserung.
Dank dem Einsatz von Doppelstockzüge im Rheintal per 9. Juni wurden Reisezugwagen mit Multifunktionsabteilen und Veloabteilen frei. Deshalb konnte die angestrebte Verbesserung nun umgesetzt werden.
Nun können Velofahrer mit den Interregiozügen auf der Gotthardstrecke bequemer reisen und ihre Velos transportieren.
Bisher mussten Velofahrer ihre Fahrzeuge im Gepäckwagen transportieren, wo 12 Velohaken zur Verfügung standen und maximal 35 Velos Platz hatten. Nur in zwei Reisezugwagen standen weitere Veloplätze zur Verfügung.
An Spitzentagen kam es regelmässig zu Verspätungen, bis alle Reisenden ihre Velos im Gepäckwagen ein- oder ausgeladen hatten.
Anschliessend mussten die Passagiere meistens durch mehrere Wagen gehen, bis sie zu ihren Sitzplätzen oder von dort wieder zurück zum Gepäckwagen gelangten.
Neu setzt die SBB in den Interregiozügen auf der Gotthardstrecke bis zu fünf Reisezugwagen mit Veloplätzen ein, welche die Kapazität im Gepäckwagen ersetzen. Einer davon ist ein Reisezugwagen mit einem Multifunktionsabteil, wo 9 Veloständer zur Verfügung stehen und an Spitzentagen maximal 25 Velos transportiert werden können.
In den anderen Wagen können je bis zu vier Velos mitgeführt werden. Die Velofahrer haben somit die Möglichkeit, ihre Velos in jenen Wagen zu transportieren, in denen sich auch ihre Sitzplätze befinden.
Die Zahl der Veloplätze bleibt insgesamt erhalten.
An Spitzentagen oder wenn sich Gruppen von Velofahrern anmelden, kann nach wie vor ein Gepäckwagen angehängt werden. Dann ist die maximale Transportkapazität sogar fast doppelt so hoch wie bisher. Für diese Verstärkungen behält die SBB vier Gepäckwagen als Reserve. Ein Gepäckwagen bleibt zudem dauerhaft am Gotthard im Einsatz; im IR 2257/2292. Mit diesem Zug reisen erfahrungsgemäss am meisten Velofahrer Richtung Süden. Die Velotransportkapazität auf diesem Zug konnte auf rund 80 Velos fast verdoppelt werden.
Die neue Zugsbildung bringt also nur Vorteile:- An Spitzentagen und bei gut ausgelasteten Zügen rund doppelt soviel Platz für Velos.
- Bessere Verteilung der Velofahrer auf den ganzen Zug und dadurch weniger Verzögerungen beim Ein- und Aussteigen.
- Kürzere Wege auf dem Perron.
- Kein Marsch mehr durch mehrere Wagen.
- Unmittelbare Nähe oder sogar Blickkontakt zu den Velos, was besonders Besitzer von teuren Bikes schätzen.
Es bleibt die Frage, weshalb die SBB solch positive Meldung nicht frühzeitig, vor Beginn der Massnahmen "in eigener Sache" kommunizieren.
Die Information der Pressestelle befriedigt nicht.
Dass der Ein- Auslad der Velos zu Verspätungen geführt hat, haben sich die SBB selbst zuzuschreiben. Hierfür die Velofahrer verantwortlich zu machen, greift zu kurz.
Zu Verzögerungen kam es oft, weil die Leute das Tor des Packwagens, wegen Unkenntnis der Mechanik, von aussen nicht öffnen konnten. Nach längeren Versuchen wurde dann via den nächsten Personenwagen jemand reingeschickt, der das Tor von Innen öffnen sollte. Oftmals wurden die Versuche sogar aufgegeben und die Fahrräder via Personenwagen-Einstieg in den Packwagen verbracht.
Ein auf der Wagenwand angebrachter Kleber mit Stichwort und Hinweis-Pfeil, auf den unter dem Rand liegenden Hebel, hätte das Problem schlagartig gelöst.
Dass die neue Zugsbildung nur Vorteile bringen soll, wird sich erst weisen müssen.
Der Begriff „Multifunktions-Plattform“ bedeutet, dass dort auch grosse Koffern, sperrige Gepäckstücke und Kinderwagen abgestellt werden. Deshalb dürfte die Kapazitätsberechnung der SBB in vielen Fällen nicht stimmen. Was auf Bahnstrecken im Flachland funktioniert, muss am Gotthard nicht klappen.
Für mich bleiben viele Fragen rund um diese Änderung ungeklärt. Deshalb bleiben Bedenken bestehen:
Laut der Information bleiben vier Gepäckwagen als Reserve im SBB-Bestand.
Einer dieser vier Wagen ist gemäss Pressedienst im IR 2257 nach Süden eingereiht. (Zürich ab 06:09. Im abendlichen Rückzug 2292 (Locarno ab 18:45) steht der Wagen ebenfalls zur Verfügung.
Bleibt der Gepäckwagen nun fest eingereiht oder steht er tagsüber in Locarno?
Wenn der Wagen im Zug bleibt, was anzunehmen ist, weshalb werden die Rückzüge IR 2177 (Locarno ab 09:45) und 2174 (Luzern ab 15:18) nicht erwähnt? Ist der Packwagen in diesen Zügen geschlossen und darf für Velo-Transporte nicht benützt werden?
Wo werden die drei anderen Wagen stationiert sein? Verteilt auf Locarno, Luzern (Basel), Zürich, damit ein kurzfristiges Einsetzen möglich ist? Oder zentral abgestellt, mit langfristig geplanter Einreihung?
Wer entscheidet über den zusätzlichen Einsatz der Wagen?
Auf Grund welcher Kriterien erfolgt der Einsatz?
Nur auf Grund von angemeldeten Gruppenreisen darüber entscheiden zu wollen, kann ins Auge gehen, denn der Entschluss zu einer Fahrt mit dem Velo am Gotthard wird doch in vielen Fällen spontan, zumindest kurzfristig gefällt. Schon aus Wettergründen.
In den meisten Fällen wird die in Zukunft angebotene Kapazität wohl reichen. Den Rest baden aber die Kunden vor Ort (am Zug) aus.
Offen bleibt auch die Frage, wann und wie die Kunden informiert werden, wo im Zug der Wagen mit dem Multifunktionsabteil eingereiht ist. Der Packwagen war jeweils am Zugschluss oder hinter der Lok und auch klar als solcher erkennbar. Wie sieht das beim EC-Wagen aus?
Die aufgeführten positiven Aspekte bedürfen einer Relativierung:
„Bessere Verteilung der Velofahrer auf den ganzen Zug und dadurch weniger Verzögerungen beim Ein- und Aussteigen.“
Das bedeutet doch im Alltag nichts Anderes, als dass sich bei grösserem Andrang Gruppen auf die Wagen aufteilen müssen, zumindest zum Verlad der Velos.
„Kürzere Wege auf dem Perron.“ Wo liegt der Unterschied, ob ich mit meinem Fahrrad zum Packwagentor oder zum Wageneingang zur Multifunktionsplattform eile? Und wenn die Velohaken ausgerechnet bei meiner Tür bereits besetzt sind?
„Kein Marsch mehr durch mehrere Wagen.“ Dies würde bedeuten, dass man als Gruppe in vielen Fällen getrennt sitzt.
Ob die Absicht der SBB aufgehen wird, muss sich weisen. Den Kunden ist das zu wünschen. Den SBB wünsche ich endlich eine Informations-Kultur, welche auch die Kunden berücksichtigt, indem diese frühzeitig ihre notwendigen Kenntnisse für ein entspanntes Reisen erhalten.
Zufällige Sichtungen
Leider bestätigen sich im Alltag die von mir angetönten Probleme im Alltag durch zufällige Beobachtungen.
6. Juli 2013
Ein Reisender wartet im Velodress mit seinem Rennrad in Erstfeld auf den IR in Richtung Süden. Er will mit seinem Rad durch die hintere Wagentür eines B den Zug besteigen und einen der dortigen Velohaken für sein Rennrad benutzen. Was er wegen aussteigender Passagiere von aussen nicht sehen kann ist, dass die Gepäckablage bereits heruntergeklappt und mit Gepäckstücken vollgestellt ist. Als er eingestiegen ist und sein Rad aufhängen will, bemerkt er sein Problem. Er dreht sich um, und beabsichtigt mit seinem Rad durch den Durchgang auf die nächste Wagen-Plattform zu gehen. Dumm nur, dass der nächste Wagen bereits der A ist. Wie hat der Mann sein Problem wohl gelöst?
31. Juli 2013
Ein Vater wartet mit seinen zwei Buben im Bahnhof
Flüelen auf der Höhe des Perronaufganges (voraussichtlicher Haltebereich des ersten B) auf den IR 2159. Alle drei haben ihre Bikes dabei.
Der Vater kennt sich aus, denn von seinem Standort aus könnte er den
früher am Zugschluss eingereihten D, aber auch den ersten B problemlos
erreichen. Als der Zug einfährt, muss der Vater feststellen, dass zwar ein D am Zug ist, allerdings ist dieser hinter der Lok eingereiht. Alle drei rennen
also mit ihren Bikes an die Zugspitze, um sie dort in den Packwagen einzuladen.
Lobenswert ist dabei, dass die drei nicht den schnellsten Weg gewählt
haben und mit den Rädern durch die aussteigenden Passagiere gefahren
sind, sondern die Bikes zu Fuss durch die Leute geschoben haben.
Fazit: Die von SBB-P angedachte Lösung, bei
möglichem Bedarf einen D (für alle Fälle) im Zug einzureihen - wie
gemäss Pressedienst versprochen (siehe oben) - ist eine löbliche Absicht
und sicher eine mögliche Lösung. Nur nützt das alles nichts, wenn der
wartende Velofahrer dahingehend nicht informiert wird.
Die SBB leisten sich zwar eine
Kommunikationsabteilung und die Möglichkeit von Durchsagen auf Perrons.
Allerdings sind sie mangelnder interner Kommunikation scheinbar nicht im
Stande, den wartenden (Velo-)Kunden die zusätzliche Einreihung eines D auch
vor Ort zu kommunizieren.
Dasselbe gilt übrigens auch für die allenfalls vorhandenen Multifuntionsplattformen
mit dem vorgerechneten "Mehrhaken-Angebot": Wo sind die im Zug?
Der
Kunde sieht bei der Ankunft des Zuges "nur" einen ankommenden
Tatzelwurm.
Wenn er sich die freien Haken für sein Bike erst durch
die offenen Türen suchen muss (siehe Beispiel vom 6. Juli), bringt SBB-P
die monierten, durch den Velo-Einlad verursachten, Verspätungen kaum
weg.
Die gemäss CEO Andreas Meyer anzustrebende
vermehrte Kundenfreundlichkeit bleibt einmal mehr
klar auf der Strecke.
Schade, denn mit Wenig (aktueller
Live-Information über die Lautsprecheranlagen auf der Gotthardstrecke)
wäre ein hoher Ertrag an Kundenzufriedenheit erreichbar.
Wenn ich Gleichgültigkeit und Gedankenlosigkeit zu
Gunsten der SBB-Mitarbeiter mal ausschliesse, bleibt mir nur ein Fazit:
Es zeugt von keiner hohen internen Kommunikation,
wenn die Linke nicht weiss, was die Rechte anordnet.