Endlich! Altdorf hat seinen schienenfreien Passagierzugang

Seit Freitag 12. November 2010 ist es endlich so weit: nun hat als letzte Station an der Gotthardlinie auch der "Bahnhof" Altdorf seinen schienenfreien Zugang zu den Zügen.

Die Station Altdorf war auf der Gotthardstrecke der letzte Haltepunkt, bei welchem die Passagiere nur durch Überqueren der Geleise den Zug in Richtung Norden erreichen konnte.
Bei jedem Halt eines Regionalzuges - Schnellzüge halten im Bahnhof des Urner Hauptortes keine - war also immer der Betrieb blockiert.
Zeitweise Versuche, die S-Bahnzüge in beide Richtungen auf Geleise 2 halten zu lassen (am nächsten am Aufnahmegebäude), brachten nicht den erhofften Erfolg. Grund dafür waren die "komplizierten Weichenverhältnisse" bei den Einfahrten der Station.

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Endlich hat auch die Station Altdorf einen schienenfreien Zugang.

Im Zusammenhang mit der NEAT musste in absehbarer Zeit ebenfalls eine Lösung gefunden werden.
Einerseits müssen die Brücken des Schächenbaches südlich des Bahnhofs ersetzt werden, andrerseits muss 2011 im Zusammenhang mit dem Bau der Tunnelzufahrt zum NEAT-Tunnel die Gleisführung südlich der Station Altdorf umgebaut werden.
Dabei steht längere Zeit nur ein Geleise der Stammlinie auf Seite Erstfeld zur Verfügung.
Es kommt hinzu, dass nach der NEAT-Betriebsaufnahme die Züge die Station Altdorf mit bedeutend höheren Geschwindigkeiten durchfahren werden.

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Die Schächenbrücken nördlich der Station Altdorf müssen ersetzt werden.

Dies waren die betrieblichen Gründe, die Station Altdorf umzubauen und endlich auch mit einem schienenfreien Zugang zu den Zügen zu versehen.
Dieser Umbau erhöht den Komfort und die Sicherheit der Reisenden.

Ein weiterer Grund für den Umbau ist im Traum der Urner Regierung und der Gemeinde Altdorf von einem "Kantonal-Bahnhof Altdorf" zu sehen.
Die Station Altdorf (nur S-Bahn-Halte) soll zu einem Bahnhof (mit IR-Halten) aufgewertet werden.
"Im Rahmen des «Entwicklungsschwerpunktes Urner Talboden» sollen im Gebiet um den Bahnhof Altdorf hochwertige Arbeitsplätze und Wohnungen erstellt werden. Die laufende Zonenplanrevision der Gemeinde Altdorf trage diesem Projekt Rechnung. Dabei könne die nun eingeweihte Unterführung in Richtung Westen erweitert, und dort durch eine Park and Ride-Anlage ergänzt werden, damit der künftige Kantonalbahnhof auch für Autofahrer attraktiv werde.", erklärte Gemeindepräsidentin Barbara Bär in ihrer Eröffnungsansprache.

Mit Verwunderung nimmt man als Zuhörer also zur Kenntnis, dass man eine Unterführung gebaut hat, welche in absehbarer Zeit bereits wieder umgebaut und erweitert werden soll.
Für mich stellt sich hier die Frage, weshalb man von Seiten der Gemeinde diese Planung nicht schon früher vorangetrieben und die Unterführung gleich fertig gebaut hat.

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Gemeindepräsidentin Barbara Bär und Projektleiter András Özvegyi eröffnen gemeinsam die Unterführung zum Perron.
Die Wand im Hintergrund soll zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgebrochen und die Unterführung zur P+R-Anlage verlängert werden.

Die Urner Regierung fordert zur Zeit bei jeder Gelegenheit den Halt von EuroCity-Zügen im zukünftigen "Kantonalbahnhof Altdorf".
Bei SBB-Infrastruktur, als Betreiberin des NEAT-Basistunnels stösst dieses Ansinnen begreiflicherweise auf keine Gegenliebe.
Nicht nur, dass man die Schnellbahn NEAT aus fahrzeitpolitischen Gründen möglichst ohne viele Zwischenhalte betreiben will, sondern für die Einfahrt in den 57 km langen NEAT-Tunnel ist eine relativ hohe Einfahrgeschwindigkeit vorgesehen, damit der Tunnel auf seiner ganzen Länge von den Hochgeschwindigkeits-Zügen mit der maximalen Geschwindigkeit durchfahren werden kann.
Ein Halt dieser Züge im Bahnhof Altdorf würde dazu führen, dass sie diese Sollgeschwindigkeit bei der Einfahrt in den Tunnel nicht erreichen.

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Noch steht der Kantonalbahnhof Altdorf auf dem Kopf.

Auch in Bezug auf die Halte der "normalen" Schnellzüge, der InterRegios habe ich einige Bedenken.
Mit dem Projekt Kantonalbahnhof Altdorf kannibalisiert die Regierung die bisherigen Schnellzug-Bahnhöfe Flüelen und Erstfeld.
Ob die SBB drei InterRegio-Halte auf die Distanz von nicht einmal 10 Kilometern zulässt, steht für mich in Frage.
Für den Urner Talboden ist Flüelen seit je her die Verkehrsdrehscheibe (Bahn/Schiff/Postauto/Bus) und damit Zusteigebahnhof auf die Schnellzüge/InterRegios. Für das Untere Reusstal nimmt Erstfeld diese Funktion wahr.
Das Einfügen eines weiteren Zustiegs auf die Distanz von kanpp 10 Kilometern macht vor der Eröffnung der neuen NEAT-Axenzufahrt, welche Flüelen umfahren wird, verkehrstechnisch keinen Sinn (Zur Zeit frühestens 2030).
Vielmehr läuft man Gefahr, die Schnellzughalte in Flüelen und/oder Erstfeld an Altdorf zu verlieren.

Aber eben, das Ganze hat vielleicht auch einen geschichtlichen Aspekt.
Ursprünglich war die Anbindung des Kantonshauptortes Altdorf als Bahnhof im Dorfbereich südlich des Telldenkmals geplant (Raum Spital).
Bei der definitiven Planung wurde die Strecke Flüelen - Erstfeld aus finanziellen Gründen begradigt und der Bahnhof Altdorf zu einer Station (1 km vom Dorfkern weg) degradiert. Dies sehr zum Ärger der Urner Regierung und des Gemeinderates Altdorf. Als Zückerchen wurde dann der Hauptort wenigstens mit einem "doppelten" Stationsgebäude getröstet.
Ob die Altdorfer immer noch unter dem Trauma leiden, als Hauptort nur eine "Station" und keinen "Bahnhof" zu haben?